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Großbritannien » Reiseberichte

Happy Halloween: Auf Geisterjagd durch Edinburgh

Von Christoph Driessen, dpa

Edinburgh (dpa/tmn) - Zur Geisterjagd nach Edinburgh - das ist wohl der ultimative Halloween-Ausflug. Die schottische Hauptstadt verfügt nach BBC-Informationen über den «meistbespukten Ort Großbritanniens»: ein unterirdisches Gängelabyrinth.


Schon lange hat sich keine mir unbekannte junge Frau mehr hilfesuchend an mich geklammert. Neulich aber ist es passiert. Ich muss zugeben, es geschah eher, weil ich gerade neben ihr stand, und ist mit einer akuten Schrecksituation zu erklären: Wir befanden uns auf einer Geisterjagd durch die Unterwelt der schottischen Hauptstadt Edinburgh.


Edinburgh ist das perfekte Gespenster-Biotop. Auf einem Felsen thront eine Draculaburg, und weite Teile der Innenstadt sehen aus wie eine Gruselfilmkulisse. Der Gespenstertourismus ist inzwischen gut für eine ganze Industrie. Jeden Tag wandeln Hunderte auf den Spuren der Untoten. Ich gehe systematisch an die Sache heran und wähle für meine Geistererfahrung den allerunheimlichsten Ort in dieser unheimlichen Stadt. Er liegt in der Old Town, besser gesagt: unter der Old Town. Es sind die «Edinburgh Vaults», ein Labyrinth von Kellern und Gewölben.


Unser «Ghost Hunting» beginnt spät am Abend, wir werden angeführt von Liz, die auf den ersten Blick wie eine nette ältere Dame wirkt. Aber das biedere Äußere könnte nur Ablenkung sein. So weiß Liz sehr anschaulich davon zu erzählen, wie sich bei Hinrichtungen auf dem Platz vor der St. Giles-Kathedrale die Hirnmasse der Delinquenten über das Straßenpflaster verteilte.


Liz führt uns zu einer Häuserzeile und öffnet eine unscheinbare schwarze Tür. Dahinter windet sich eine steinerne Treppe hinab in die Dunkelheit. «Alle dicht beieinander bleiben!», warnt sie. «Wer sich dort unten verläuft, der kommt vielleicht nie wieder raus.» Die Wände erinnern mich an den Keller meines elterlichen Gründerzeithauses, in dem ich manchmal für meine Mutter Kartoffeln holen musste. Aber dort gab es wenigstens eine elektrische Funzel - hier unten nur Kerzenlicht.


Immer weiter geht es abwärts. Dann kommt ein Korridor, hier und dort ein alter Lagerraum. In einem hohen Gewölbe hält Liz an. Im flackernden Schein einer Kerze, die sie mit beiden Händen umklammert, wirft sie einen riesigen Schatten auf das Mauerwerk. Ihre Kappe sieht jetzt aus wie ein Hexenhut.


Die Vaults dienten ursprünglich als billige Unterkunft für Handwerksbetriebe, später wurden sie zum Unterschlupf für die Ärmsten der Armen. Verglichen mit ihren Lebensbedingungen konnte sich selbst Oliver Twist glücklich schätzen: kaum Licht, kein fließend Wasser. Serienkiller, die die Leichen zum Sezieren an die medizinische Fakultät verkauften, trieben ihr Unwesen. Irgendwann im 19. Jahrhundert war der Stadt diese Parallelwelt nicht mehr geheuer: Mit Geröll ließ sie alle Eingänge verschließen.


Erst in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts wurden sie wiederentdeckt und in den 90ern neu erschlossen. Unmittelbar darauf begannen die Berichte über merkwürdige Erscheinungen und unerklärliche Stimmen. Für Liz besteht kein Zweifel daran, dass es die Geister der ehemaligen Bewohner sind, deren irdische Existenz zur Bewältigung ihrer furchtbaren Erlebnisse einfach nicht ausgereicht hat. Sie spricht über sie wie andere über exzentrische Nachbarn.


Da gibt es zum Beispiel den «Watcher», der die Besucher aus dunklen Ecken heraus anstarrt. Harmlos ist der «Cobbler», ein Schuster, der nur einen ganz bestimmten Raum bewohnt. In der Fachsprache ein «territorialer Geist», wie Liz uns erklärt. Da sich der «Cobbler» noch immer für Schuhe interessiert, ist es möglich, dass er mit kalten Spinnenfingern unsere Füße betastet.


Ich glaube nicht an Gespenster. Noch nicht mal hier unten. Dennoch vermeide ich es, der Letzte zu sein, als sich unsere Gruppe nun wieder in Bewegung setzt. Wir nähern uns dem bevorzugten Revier von Mr. Boots, der bösartigsten Heimsuchung dieses unglücklichen Ortes. Angeblich ist er der Mörder einer Prostituierten. Lange beschränkte er sich darauf, den ungebetenen Gästen ein «Get out!» zuzuraunen, doch neuerdings gibt er sich informativer: «I'm Edward», haben ihn manche sagen hören.


Nun geht es in den meistbespukten Raum dieses meistbespukten Ortes. Ich komme wieder als Vorletzter herein und finde kaum noch Platz. Liz, das muss man sagen, ist eine begnadete Erzählerin. Sie hat ein solches Gefühl für Spannungsaufbau und Dramaturgie, dass sie uns alle in ihren Bann zieht. Als sie plötzlich laut aufschreit, kommt es zu der eingangs erwähnten Umklammerung durch die neben mir stehende Dame.


Es geht auf Mitternacht zu, als wir unsere Jagd unverrichteter Dinge abbrechen. Als Liz nach mir die Tür schließen will, weise ich darauf hin, dass hinter mir noch jemand kommt. «Nein, nein», entgegnet sie. «Sie waren die ganze Zeit der Letzte, da hab' ich drauf geachtet. Sehr mutig!»


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