Auf den Spuren der Römer: Wandern über die Hohen TauernVon Claudia Bell, dpa Mallnitz (dpa/tmn) - Hans Naglmayr bückt sich und zieht vorsichtig eine Distel aus dem Boden. Gekonnt schält er mit seinem Taschenmesser den Stiel ab und hält den Wanderern schließlich ein kleines Stück des Stängels entgegen.
«Tatsächlich - das schmeckt wie Kohlrabi», stellen die drei Wanderer staunend fest. Wanderführer Hans freut sich. Schließlich sind es genau diese kleinen Erlebnisse, die das Wandern mit einem geschulten Ranger in den Hohen Tauern besonders machen. «Wir möchten unsere Gäste nicht einfach nur in möglichst kurzer Zeit über den Berg jagen, sondern ihnen auf dem Weg Schönes und Interessantes zeigen und erklären und vor allem ihre Sinne für die Natur schärfen», sagt er.
Viele Wanderer kommen wegen der außergewöhnlich artenreiche Pflanzen- und Tierwelt in die Hohen Tauern. Doch auch die Wege selbst, auf denen man den Alpenhauptkamm in Österreich überquert, machen eine Bergtour hier besonders: Es sind Jahrtausende alte Pfade, teils durch breite Karrenräder durchfurcht, die nach Ansicht der Forscher wahrscheinlich von den Römern um Christi Geburt gebaut wurden. Noch heute sind deren Spuren und Reste deutlich sichtbar.
Besonders beeindruckend sind jene Spuren auf dem zwölf Kilometer langen Teilabschnitt zwischen der Jamnigalm oberhalb von Mallnitz, weiter über die Hagener Hütte auf 2446 Metern bis hinab nach Sportgastein. Riesige Gesteinsbrocken und von Gras und Moos überwucherte Felsplatten lassen erahnen, welche Mühen es gekostet haben muss, die etwa drei Meter breiten Handelswege einst zu bauen. Und man kann sich den beschwerlichen transalpinen Handel jener Zeit vorstellen: Mit Karren und auf Pferden wurden Güter wie Salz, Fleisch, Silber, Bernstein und Leder über die Berge geschafft.
Mehr als 600 Jahre, bis ins 19. Jahrhundert hinein, nutzten die sogenannten Säumer die schmalen Straßen als Handelswege. An markanten Stellen weisen Schilder die Wanderer auf die historische Bedeutung des Weges hin, im verfallenen Mallnitzer Tauernhaus informiert eine Bildertafel. «Wir tun vieles, um den Gästen die Bedeutung des Römerweges und des Nationalparks zu erklären und nahezubringen», betont Naglmayr. Und tatsächlich scheint die Arbeit Früchte zu tragen: Viele junge Familien mit Kindern sind unterwegs, karierte Blusen und altmodische Bundhosen sucht man hier vergeblich.
Wer sich für eine Tour durch diese Gegend entschieden hat, der findet eine nahezu unberührte und beeindruckende Natur. Mit einer Fläche von 1834 Quadratkilometern - verteilt auf die österreichischen Bundesländer Kärnten, Salzburg und Tirol - gehören die Hohen Tauern zu den größten Nationalparks Europas.
Nach dem Rückzug der Eiszeitgletscher vor etwa 12 000 Jahren waren die Hohen Tauern zunächst eine öde Wüste aus Fels und Geröll. Erst allmählich besiedelten Pflanzen und Tiere den neuen Lebensraum. «Das waren damals vor allem Arten aus den zentralasiatischen Kältesteppen, aus dem arktischen Bereich und aus der sibirischen Tundra», erzählt der Nationalpark-Ranger. Sie lebten zunächst in den Tallagen und folgten dann, als die Temperaturen wieder anstiegen, den rückweichenden Gletschern hinauf in die Bergregion.
Zur Tierwelt der Hohen Tauern gehören auch majestätische Vögel mit einer Flügelspannweite von bis zu drei Metern. Die Wanderer haben an diesem sonnigen Tag Glück: Ein scharfer Pfiff durchdringt die Stille, und ein Blick gen Himmel bestätigt die Vermutung - ein Gänsegeier kreist mit weit ausgebreiteten Schwingen hoch oben in der Luft. In ganz Europa gibt es noch etwa 20 000 Brutpaare, doch in den Hohen Tauern verbringen nur etwa 100 Gänsegeier den Sommer. «Die Wahrscheinlichkeit, dass man einen solchen Vogel hier sieht, ist also nicht so hoch», sagt Naglmayr - «aber wenn, dann ist das natürlich schon ein besonderes Erlebnis».
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