Retro-Kino auf Rügen: «Dirty Dancing» mit Günter MittagVon Martina Rathke, dpa Baabe (dpa) - Die DDR-Größen machten im Erholungsheim Baabe auf der Insel Rügen Luxus-Urlaub, während sich der gemeine Bürger auf überfüllte Zeltplätze quetschte oder in Ferienheimen schlief. Heute ist die Nobel-Unterkunft wieder geöffnet - samt Nostalgie-Kino.
Die grünen Velourssessel könnten teure Neuanfertigungen im Retro-Stil sein. Doch die Sessel sind ebenso wie Kintopp-Gong, Leinwand und Kino-Telefon Originale und so alt wie das 1978 erbaute «Erholungsheim Baabe» auf der Insel Rügen. Das «Heim», heute ein Fünf-Sterne-Hotel, war eine der luxuriösesten Ferienunterkünfte der DDR und nur hohen SED-Kadern oder Staatsgästen vorbehalten. Staats- und Parteichef Erich Honecker, SED-Größen wie Günther Schabowski, Gewerkschaftsboss Harry Tisch und DDR-Wirtschaftsplaner Günter Mittag nächtigten dort.
Während der normale DDR-Urlauber sich auf überfüllte Zeltplätze quetschte oder in FDGB-Ferienheimen Schlange fürs Abendbrot stand, genossen die Genossen im Erholungsheim Baabe ihren Luxusurlaub. Neben einem Fahrstuhl zum Strand verfügte die Nobelunterkunft auch über einen eigenen Kinosaal.
Im Hotel entdeckten Direktor Peter Schwarz und seine Mitarbeiter nun den originalen Kino-Vorführraum samt Technik wieder. In einem Lagerraum verbarg sich hinter Möbelstapeln die komplette, in Vergessenheit geratene und mittlerweile völlig verstaubte Maschinerie mit Tonanlage und den Filmprojektoren der tschechischen Marke Meopta. «Es war alles noch funktionstüchtig», staunt Schwarz über die Robustheit der mehr als 30 Jahre alten Geräte. Auf dem Projektor lag sogar noch der Lappen zum Staubwischen.
Während der Normalurlauber vor Sommerkinos anstand, die an Blechbüchsen erinnerten, um einen der neuen Defa-Filme oder einen West-Import zu sehen, konnte sich die Politprominenz abgeschottet dem Kinoerlebnis hingeben. Die Leinwand befand sich hinter einer holzvertäfelten, aufschiebbaren Wand. An Clubtischen wurden den Zuschauern Getränke serviert, erinnert sich Elke Gloser.
Dass jedoch auch Streifen über die 18 Quadratmeter große Leinwand flimmerten, die der Normalbürger nicht zu sehen bekam, verweist die Hotel-Mitarbeiterin ins Reich der Legende. «Hier wurde gezeigt, was in jedem öffentlichen Kino lief», erinnert sie sich. Die heutige «Food and Beverage»-Assistentin arbeitet seit der Eröffnung im Jahr 1978 in dem Haus. Der US-amerikanische Film «Dirty Dancing» war der letzte Film, den Günter Mittag und Co. 1987 zu sehen bekamen. Danach sei der Saal für Bankette umgebaut worden, berichtet Elke Gloser. Die Kinoanlage geriet in Vergessenheit.
Cineast Christian Schmidt, der in Sassnitz ein Programmkino führt, zählt die Anlage mit den 35-Millimeter-Projektoren zu den ganz wenigen erhaltenen aus der DDR. «Andere Kinos sind verfallen, die Technik wurde verschrottet oder verrottete. Hier stand alles trocken und warm», erzählt er. Nur wenige Stunden benötigte er, um die Technik wieder zum Laufen zu bringen. «Man brauchte eigentlich nur den Staub wegwischen und einige Sicherungen tauschen.» Von der Bildqualität ist der Kinofan begeistert.
Seit kurzem wird der Saal im Cliff-Hotel inklusive der Filmtechnik wieder als Programmkino genutzt. Das Programm hat sich grundlegend geändert. Filme wie «Das Weiße Band» oder der DDR-kritische Streifen «Drei Stern Rot», der von den seelischen Qualen eines DDR- Grenzschützers erzählt, ratterten bereits durch den Projektor. Dass das Kino wiederbelebt wurde, habe nichts mit Ostalgie zu tun, versichert Schwarz, der das Hotel seit 2008 leitet. «Wir wollen unseren heutigen Gästen damit auch die Geschichte des Hauses erzählen.»
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