Robbenforschern über die Schulter schauenVon Grit Büttner, dpa Rostock (dpa) - Mit großen Kulleraugen und kratzigen Barthaaren erobert «Robbi von Rostock» im Nu die Herzen aller Kinder. Aber wie gut sieht eigentlich so ein Seehund und was spürt er mit seinen Barthaaren?
Alle Sinne von Robben in ihrer Gesamtheit zu erforschen, ist Ziel der Wissenschaftler im Ostseebad Warnemünde, die Mitte Juni ihre Forschungsstation nach einem Jahr Arbeit nun auch für Touristen öffnen. Die weltweit größte Anlage ihrer Art dürfte damit auch die einzige sein, in der sich die Forscher wie auf einem Präsentierteller rund um die Uhr bei ihren Experimenten und Übungen von Besuchern über die Schulter sehen lassen, meint Biologin Frederike Hanke. «Sicherlich animiert dieses Erlebnis der Wissenschaft zum Anfassen so manches Kind dazu, sich später für ein Studium der Biologie zu entscheiden», hofft die Forscherin.
Ein greller Pfiff, ein Streicheln, ein Fisch - mit viel Lob und Zuwendung bringt die junge Frau Nick, Moe, Filou und die anderen ihrer insgesamt neun Seehunde der Station immer wieder zu neuen Trainingserfolgen. Für die Tiere, die 2008 aus dem Kölner Zoo in die Ostsee umzogen, bietet die Anlage an der Ostmole der Warnow im Yachthafen Hohe Düne mit mehr als 10 000 Kubikmetern echtem Seewasser relativ natürliche Lebensbedingungen, sagt der Leiter, Professor Guido Dehnhardt. Beschäftigt sind im Robbenforschungszentrum, dem Marine Science Center der Rostocker Universität, jetzt zehn Biologen, Physiker und Veterinäre. Ihre Arbeitsräume befinden sich direkt im Meer sowie auf einem umgebauten Fahrgastschiff, das früher Berlin-Touristen über die Spree schipperte.
Nicht als Zootiere oder Schmusekatzen zeigen sich die Seehunde den Gästen im Forschungszentrum, betont Besucherchefin Petra Schumann. Die Meeressäuger seien Raubtiere und für die Wissenschaft von höchstem Interesse: In Warnemünde wollen die Verhaltensforscher dem Orientierungssinn der Robben auf die Spur kommen, um auch Rückschlüsse auf das «Navigationssystem» anderer Meeressäugetiere ziehen zu können. So versuchen Forscher weltweit zu ergründen, wie Wale wandern und warum sie stranden. Zum Aufklären dieses und anderer Phänomene könnten auch die Rostocker Biologen beitragen, indem sie ein Gesamtbild der Orientierungsleistungen mariner Säuger zeichnen, hoffen die Wissenschaftler.
Vom Sonnendeck des Forschungsschiffes aus haben große und kleine Zuschauer den besten Blick auf die massigen Schwimmer, die mit ihren rund 100 Kilogramm Körpergewicht pfeilschnell durchs Ostseewasser flitzen. Nick hört auf den Ruf von Frederike Hanke und robbt an Land zu ihrer ausgestreckten Hand. Die Sehleistungen der Seehundmännchen erkundet die Biologin wie ein Optiker, nur nutzt sie statt Buchstabentafeln verschieden feine Streifenmuster, deren richtige Lage - horizontal oder vertikal - die Robben mit zuvor eingeübtem Kopfnicken bestätigen. Ein Pfiff heißt «Gut gemacht», dazu gibt's einen Hering zur Belohnung. An die sechs Kilo Fisch schafft so ein Seehund pro Tag.
Selbst die kleinsten Gäste der Station halten aufgeregt den Atem an, wenn Seehund Nick seine Aufgaben löst. Frederike lässt die Kids ganz nah an die Robbe heran, erklärt ihnen Fell und Flossen, Maul, Nase, Augen und Barthaare, in Forschersprache «Vibrissen» genannt. Mit diesen ertastet die Robbe sogar die «Spur» - die Wasserwirbel - anderer Meeresbewohner und erkennt so etwa die Richtung eines Heringsschwarms im Meer, erklärt Frau Hanke. Zugleich minimieren die Barthaare dank ihrer Wellenform den Widerstand des Wassers und könnten damit als Vorbild für die Gestaltung von Buhnen oder Brücken dienen, meinen die Forscher.
Verständnis zu wecken für die Arbeit der Grundlagenforschung sowie Wissensvermittlung - so umreißt Frederike Hanke ihre Motivation für Touristenführungen. Zugleich bringen die Besucher der Robbenstation, die unter anderem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gesponsert wird, mit ihrem Eintrittsgeld auch Einnahmen für die Wissenschaft. Dafür kommen die Urlauber nicht nur hautnah an die possierlichen Wildtiere heran und tauchen direkt ins Leben der Meeresforscher ein. Ganz Wagemutige dürfen sogar mit den Robben schwimmen gehen.
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