Italien » ReiseberichteMehr Touristen als Rettung? Rom und sein KolosseumVon Hanns-Jochen Kaffsack, dpa Rom (dpa/tmn) - Ein Kolosseum-Rundgang gehört in Rom oft ebenso zum Besuchsprogramm wie ein Blick in den Petersdom. Die Ruine des Amphitheaters zählt zu den größten antiken Denkmälern der Stadt. Doch die alten Mauern machen Probleme. Ausgerechnet mehr Touristen könnten die Lösung sein.
Es war das größte Amphitheater der römischen Welt und jahrhundertelang die Stätte grausamer Gladiatorenkämpfe. Mit 100-tägigen blutigen Spielen weihte Kaiser Titus im Jahr 80 nach Christus das Monumentalwerk für weit mehr als 50 000 Zuschauer ein. Noch heute ist das Kolosseum mehr denn je Besuchermagnet und Wahrzeichen Roms. Fast sechs Millionen Besucher im Jahr zieht es an. Doch das Kolosseum hat «Krebs», die Luftverschmutzung nagt an den Steinen. Also bereitet die Tiber-Metropole eine Rettung vor.
Roms Baumeister verarbeiteten etwa 100 000 Kubikmeter Travertinstein im Kolosseum. Bretter bedeckten den Boden im Inneren, darunter lagen die «Eingeweide» des Amphitheaters. Heute würde man wohl «backstage» sagen: Hier hielten sich die Gladiatoren auf, und auch Tiere, die bei den Spielen eingesetzt wurden - nachdem sie mit Flaschenaufzügen aus ihren Käfigen in die Arena gehievt worden waren. «Morituri te salutant» hieß der Spruch der Sklaven oder Abenteurer, die sich hier zerfleischen ließen: «Die Todgeweihten grüßen dich.»
Doch die Zeit der Gladiatoren ging zu Ende, und das 50 Meter hohe Kolosseum war irgendwann «out». Es diente als Steinbruch unter anderem für den Bau des Petersdoms. Denn es gab in Rom eine sehr lange Zeit, in der die Antike nichts mehr galt. Nach und nach wurde aus dem stolzen Amphitheater - großer Ellipsendurchmesser: 188 Meter - eine riesige Ruine, die zeitweise von Unkraut fast überwuchert war.
Und heute? Das Kolosseum ist «krank», es braucht viel Geld für die Rettung. Es stehen aber auch ziemlich attraktive Neuerungen ins Haus, die noch mehr Touristen in das «Anfiteatro Flavio» locken sollen, wie das Monumentalwerk auf Italienisch auch heißt. Das bringt Geld in die Kassen. Derweil suchen die Behörden dringend nach Sponsoren: «Wir brauchen 23 Millionen Euro, um das Bauwerk völlig zu säubern, die Anlagen- und Überwachungstechnik zu modernisieren, die Einfriedung zu erneuern und die Wandelgänge im ersten und zweiten Stock zu restaurieren», sagt die Direktorin des Kulturdenkmals, Rossella Rea.
Umweltverschmutzung, Vibrationen durch den Verkehr und Einflüsse starker Wetterveränderungen machen das Kolosseum mürbe. Im Mai krachten plötzlich einige Putzplatten herunter. «Das Abfallen dieser Platten hat chemische Veränderungen in den Mauern freigelegt», sagt Rea. Diese Veränderungen verwandeln das Calciumkarbonat der Mauern in Calciumsulfat. Archäologen nennen das «Gesteins-Krebs», weil sich der Prozess metastasenartig fortsetzt. Was abfällt, fangen nun Netze auf.
Die Jahreseinnahmen von 32 Millionen Euro können nicht in die Instandsetzung fließen, sie finanzieren nur den Alltagsbetrieb. Also muss eine andere Abhilfe her. Und die Zeit drängt - 2011 wird die Nation Italien 150 Jahre alt und soll sich dafür hübsch machen.
«Visit by night», also der Besuch des in der Dunkelheit besonders anziehenden Kolosseums, soll bis zum September jeweils dienstags und samstags immer bis Mitternacht eine Begegnung der vielleicht auch gruseligen Art mit dem früheren Schauplatz von Gemetzeln ermöglichen. Zudem können noch im Spätsommer zwei jahrzehntelang verschlossene Teile endlich wieder Touristen und damit Geld anlocken. Es geht dabei um einen Verbindungsgang zum dritten Stockwerk und diese Ebene selbst, die einen Blick über das ganze Amphitheater und seine antike Umgebung mit dem Forum Romanum freigibt. Außerdem werden Gänge im Untergrund geöffnet - einst «Service-Raum» für Gladiatoren und wilde Tiere. Sie werden zu einem Viertel für Besucher freigegeben.
Auf alle, die das Amphitheater bestaunen wollen, wartet aber auch ein Spießrutenlauf und ein Beine-in-den-Bauch-Stehen. Jede Menge Römer drängen sich in billiger Legionärsmontur Touristen für Fotos auf. Sie werden auch manchmal untereinander ziemlich handgreiflich im Kampf um die Kunden. Nicht jeder Führer hat die geforderte Lizenz, und wie bei «wilden Taxis» läuft man Gefahr draufzuzahlen. Es wuseln auch jene herum, die die Touristen für die Nacht abschleppen wollen.
Nur zwei Metalldetektoren stehen bereit, um die Touristen aus aller Welt zu durchleuchten. Kein Wunder, dass sich in Stoßzeiten, wenn die Reisebusse Tausende von Insassen ausspucken, lange Schlangen bilden, im Sommer in der Regel in brütender Hitze bis an die 40 Grad. Zwölf Euro kostet der Eintritt, und manchen entgeht, dass sie damit auch das Forum Romanum durchwandern und den in der Nachbarschaft gelegenen, äußerst sehenswerten Palatinshügel besteigen dürfen.
Der antike Komplex vom Circus Maximus bis zum Forum Romanum mit dem Kolosseum als Bindeglied werde inzwischen als Einheit gesehen und mit einem ehrgeizigen Projekt gesichert, beteuert Kultur-Staatssekretär Francesco Giro. Keine Dezibel-geschwängerten Konzerte auf der Bühne im Inneren mehr, das soll dem Kolosseum helfen, nicht noch mehr zu leiden. Und für die Besucher, von denen man ja nicht weniger, sondern noch mehr haben will, ist auch einiges geplant: Aufzüge im Kolosseum, automatisierte Kassen, eine verbesserte Infrastruktur. Bleibt nur abzuwarten, ob und wann all das bezahlt, ausgeführt und eröffnet ist.
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