Barocker Brauch: Blutritt in Weingarten Die Reiter beim Blutritt von Weingarten müssen einiges an Kondition mitbringen. (Bild: R. Jakubek/Stadt Weingarten/dpa/tmn) Von Daniela David, dpa Weingarten (dpa/tmn) - Laut dröhnt die schwere Glocke der Basilika von Weingarten, die weit sichtbar auf dem Martinsberg in Oberschwaben thront. Es ist 7. 00 Uhr am Morgen, und Tausende Pilger bevölkern den Platz vor der Sandsteinfassade des barocken Gotteshauses.
Feierlich wird die Reliquie des Heiligen Blutes aus der Abteikirche getragen. Nur einmal im Jahr holen die Pater das goldene, mit Edelsteinen verzierte Kreuz aus dem Altarraum ins Freie - für die Prozession am sogenannten Blutfreitag, der in diesem Jahr am 2. Mai gefeiert wird.
«Der Blutfreitag ist für mich das Nonplusultra des christlichen Jahres», sagt Gebhard Schüle, «er gibt mir Halt für's ganze Jahr. » Wie viele andere Pilger kommt der Schwabe seit Jahrzehnten jeweils am Freitag nach Christi Himmelfahrt nach Weingarten, wo Katholiken die Heilig-Blut-Reliquie schon seit mehr als 900 Jahren verehren.
 Eine 67 Meter hohe Kuppel krönt die Martins-Kirche in Weingarten in Oberschwaben. (Bild: Oberschwaben Tourismus/dpa/tmn) Zu Orgelklängen, laut gesprochenen Gebeten und Fotoknipsgeräuschen reitet ein Priester im festlichen Gewand auf einem Schimmel durch die Menge und nimmt das Reliquienkreuz entgegen. Nun kann die Prozession beginnen - jedes Jahr zieht sie rund 30 000 Besucher an.
Auf der Rückseite der großen Klosteranlage warten schon etwa 1000 Pferde mit Reitern, festlich gekleidet in Gehrock und Zylinder, und Reiterinnen im Ministrantengewand. Denn Frauen und Mädchen dürfen am Blutritt nur als Ministrantinnen teilnehmen. Weitere 2000 Pferde stehen in den Straßen der Kleinstadt, bereit für ihren Abritt in genau festgelegter Reihenfolge. Der Heilig-Blut-Reiter mit der Reliquie in der Hand erteilt den Segen. Dann setzen sich die Reitergruppen in Bewegung. Für dieses Ereignis reisen sie mit Pferdehängern und Kutschen aus ganz Oberschwaben an.
Gemeinsam mit Musikkapellen aus den Orten der Umgebung ziehen fast 3000 Pferde durch Weingarten und seine Flure. Der Ritt gilt als größte Reiterprozession Europas. «Der Blutritt symbolisiert unsere Identität, er ist ein Stück unseres Herzens», erklärt der Oberbürgermeister der 25 000-Einwohner-Stadt, Gerd Gerber. Vom Balkon des Rathauses grüßt er die vorbeiziehenden Reiter.
 Der Blutritt von Weingarten findet traditionell am Freitag nach Christi Himmelfahrt statt. (Bild: Daniela David/dpa/tmn) Anders als in der nahe gelegenen Stadt Ravensburg, wo historische Türme und Bürgerhäuser mit reich verzierten Fassaden die Altstadt dominieren, bildet in Weingarten seit jeher die stattliche Klosteranlage das Zentrum des Interesses. Heute leben nur noch fünf Mönche in dem einst bedeutenden Benediktinerkloster. «Die Kuppel ist mit 67 Metern Höhe die größte nördlich der Alpen», sagt Stadtführer Raimund Kolb und geleitet eine Besuchergruppe in Deutschlands größte Barockbasilika. Der von Licht durchflutete Innenraum bietet viel Platz für Touristen und Pilger, die auf dem Jakobsweg von Nürnberg nach Santiago di Compostela in Spanien hier Station machen.
«Dieses Gotteshaus ist wie die Musik von Händel: groß und heftig, dabei klar und nicht verspielt», schwärmt Kolb. Namhafte Künstler der Barockzeit waren am Werk: Die farbenfreudigen Deckenfresken stammen von Cosmas Damian Asam, das imposante Altarbild vom Kirchenmaler Franz Joseph Spiegler. Die goldverzierte Große Orgel von Joseph Gabler mit fast 7000 Pfeifen gilt als Meisterwerk der Orgelbaukunst.
Im Untergeschoss der Kirche befindet sich die schmucklose Grablege der Welfen. «Die Welfin Judith von Flandern war es, die im Jahr 1094 dem Konvent die Blutreliquie vermacht hat», erklärt der Stadtführer. Der Überlieferung zufolge enthält die Reliquie einen Blutstropfen aus der Seitenwunde Christi. Eine Geschichte mit viel Symbolgehalt: «Keiner fordert da heute eine DNA-Analyse», sagt Kolb und lächelt.
 Der Mann im Mittelpunkt des Geschehens: Der Heilig-Blut-Reiter. (Bild: R. Jakubek/Stadt Weingarten/dpa/tmn) Das Stadtmuseum im «Schlössle» mit seiner Renaissance-Fassade stellt die Historie Weingartens von der Klostergründung 1056 bis in die Neuzeit vor. Die Sammlung zeigt auch barocke Devotionalien und seltene Votivbilder, Volkskunst aus vielen Jahrhunderten. Außerdem erfährt der Besucher, dass der Blutritt unter den Nationalsozialisten verboten war und erst vom Jahr 1948 an wieder stattfinden konnte.
Inzwischen ist es 11. 00 Uhr vormittags, die Reiter kehren nach und nach von ihrer Prozession zurück. Etwas erschöpft vom mehrstündigen Beten und Reiten kommen sie am Weinberg von Weingarten vorbei. «Unser Wein wird nur zu besonderen Anlässen kredenzt», erläutert der Winzermeister von Weingarten, Bernhard Plewe. Für mehr reicht die Menge einfach nicht aus. Die Weinlese ist an einem Tag vollbracht.
Nach dem Ritt haben Besucher und Teilnehmer Hunger, in Gasthöfen wie dem «Bären» sind schwäbische Spezialitäten wie Maultaschen, saure Linsen mit Saitenwürsten und Zwiebelrostbraten gefragt. Gemütlich und unaufgeregt ist die Stimmung, «und auch aus dem Blutritt wollen wir keinen 'Event' machen», sagt Mitorganisator Wolfgang Habisreutinger. «Unser Fest soll auch in Zukunft authentisch bleiben. »
 Am traditionellen Blutritt in Weingarten nehmen rund 3000 Reiter teil. (Bild: R. Jakubek/Stadt Weingarten/dpa/tmn) Informationen: Amt für Kultur und Tourismus, Münsterplatz 1, 88250 Weingarten, Telefon: 0751/40 51 25, Internet:
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