Deutschlands erste Gartenstadt: Hellerau 'Am Grünen Zipfel': Durch die gewundenen Straßen der Gartenstadt Hellerau werden inzwischen auch Führungen angeboten. (Bild: Berg/dpa/tmn) Von Detlef Berg, dpa Dresden (dpa/tmn) - Kein Schild weist auf die am Stadtrand von Dresden gelegene Siedlung hin, nur auf den Straßenbahnen der Linie 8 ist der Name zu entdecken. «Hellerau ist wie ein Dornröschen, es möchte entdeckt werden», sagt Clemens Galonska.
Freunde hatten den aus Düsseldorf stammenden Architekten nach der Wende mehrfach durch Dresden geführt und ihm dabei immer wieder Hellerau gezeigt. Hier würde ich gern leben, wenn ich eine Familie habe, dachte er damals. Heute bewohnt Galonska mit seiner Frau ein Reihenhaus in der Siedlung mit dem schönen Straßennamen 'Am Grünen Zipfel'. Inzwischen führt er selbst Touristen durch die gewundenen Straßen der Gartenstadt, die 2009 mit einem umfangreichen Programm ihren 100. Geburtstag feiert.
Geistiger Vater der Gartenstadt war der Dresdner Tischlermeister Karl Schmidt, der 1898 die «Dresdner Werkstätten für Handwerkskunst» gründete und die erste industrielle Möbelfertigung in Deutschland etablierte. Sein Ziel war es, formschöne und hochwertige Möbel zu erschwinglichen Preisen einer breiten Schicht zugänglich zu machen. Mit der Umsetzung seiner Ideen betraute er namhafte Künstler, und bald wurde die Firma zum Vorreiter moderner Inneneinrichtung. Schmidt war aber auch ein cleverer Geschäftsmann, der als erster Möbel im Katalog präsentierte. Um expandieren zu können, errichtete er in Hellerau eine neue Produktionsstätte.
Da Schmidt eine zufriedene Arbeiterschaft wichtiger als die Gewinnmaximierung war, ließ er 1909 gleichzeitig eine Wohnsiedlung als Alternative zu trostlosen Mietskasernen für die Mitarbeiter errichten. Nach und nach wuchs Deutschlands erste Gartenstadt.
«Als erstes entstanden die Reihenhausgruppen Am Grünen Zipfel», sagt Margit Springer vom Bürgerverein. «Die für heutige Verhältnisse mit 45 Quadratmetern Wohnfläche kleinen Häuser waren perfekt auf die Bedürfnisse der Menschen abgestimmt und genügten modernsten Ansprüchen der damaligen Zeit. » Sogar ein Nutzgarten gehörte zu jeder Einheit. Er diente der Versorgung der Familien mit Obst und Gemüse. Vor dem Haus dagegen gab es Ziergärten. «Bänke an den Eingängen waren Orte der Begegnung. »
Später entstanden zweistöckige Bürgerhäuser, eine Volksschule, die Ladenpassage am Marktplatz und ein Villenviertel. Sogar ein gewaltiges Festspielhaus wurde gebaut. Arbeit, Leben und Kultur sollten ein harmonischer Dreiklang sein. Das Experiment zog zahlreiche Reformbegeisterte aus ganz Europa an, bis der Erste Weltkrieg der Weiterentwicklung der Ideen ein jähes Ende setzte. «Dass Hellerau über zwei Weltkriege und zwei Diktaturen hinweg erhalten blieb, ist vor allem dem Engagement seiner Bewohner zu danken», sagt Springer.
Auch die Deutschen Werkstätten überlebten und sind heute ein auf luxuriöse Innenausbauten spezialisiertes Unternehmen mit Weltruf. 2006 konnte der sehenswerte Neubau bezogen werden. Im alten, sorgfältig renovierten Gebäude sind durch innovative Firmen neue Arbeitsplätze entstanden. Auch ein neues Restaurant gibt es. «Baufällig ist dagegen noch die Waldschänke, zu deren Gästen Franz Kafka zählte, und für die ein Investor gesucht wird», erzählt Springer. Fleißig gewerkelt wird am Festspielhaus. Es ist schon teilweise bespielbar und wieder Schauplatz von Avantgardekunst.
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