Italien » Reiseberichte«Tschüs Schutzgeld»: Deutscher Stadtplan gegen die MafiaVon Hanns-Jochen Kaffsack, dpa Rom (dpa) - Wie wäre es denn mit einem «pizzo-freien» Urlaub auf Sizilien? Nein, nicht Pizza, auf die muss keiner verzichten, der gen Süden reist. Es geht darum, etwas gegen das «Schutzgeld» («il pizzo») zu tun, das die Mafia unter Gewaltandrohung den Händlern, Geschäftsleuten und Unternehmern abknöpft.
In Palermo, Siziliens Hauptstadt und Hochburg der Cosa Nostra, können Urlauber jetzt mit einem ungewöhnlichen Stadtplan und Tourenführer in Deutsch selbst etwas gegen die «Krake Mafia» tun: Verzeichnet sind Hotels und Geschäfte, die bei der Kampagne «Addiopizzo» mitmachen: Sie weigern sich, das organisierte Verbrechen zu finanzieren. Wer dort einkauft, isst oder bucht, bereichert nicht noch nebenbei die Cosa Nostra.
Was es bedeutet, sich gegen die Schutzgeld-Eintreiber zu stellen, weiß auch Giovanni Ceraulo. Der Inhaber der Bekleidungskette «Primavisione» büßt in diesen Tagen dafür, vier Mafiosi vor Gericht entlarvt und damit hinter Gitter gebracht zu haben. Als dann das Quartett, darunter der als «Diabolik» verrufene Francesco Russo, zu jahrelangen Haftstrafen verurteilt war, gingen bei Ceraulo nachts die Scheiben der Auslagen zu Bruch. Die Cosa Nostra will ihm mehr denn je ans Leder. Sein Auto hatten Unbekannte auch schon einmal angezündet.
In der nordsizilianischen Hafenstadt schlossen sich bereits 400 Ladenbesitzer und Händler zusammen, weil sie den Clans kein Geld mehr in den Rachen werfen wollen. Ihr Motto: «Ein Volk, das Schutzgelder zahlt, ist ein Volk ohne Würde.» Diese mutigen Geschäftsleute unterstützt jeder, der mit dem «pizzo-freien Stadtplan» seinen Gang zu den prächtigen Bauwerken normannischer Architektur macht.
Der deutsche Botschafter in Rom, Michael Steiner, ist stolz auf sein neues T-Shirt mit der Aufschrift: «Un popolo che non paga il pizzo è un popolo libero» (Ein freies Volk zahlt kein Schutzgeld). Also stiftete Steiners Botschaft die Anschubfinanzierung für den «Addiopizzo Palermo-Führer für kritische Verbraucher» und holte von deutschen Reiseveranstaltern und Verlagen einige Unterstützung ein.
Als ein Gericht im Sommer 2009 in Palermo alles in allem fast vier Jahrhunderte Gefängnis gegen 44 Schutzgelderpresser des Mafia-Clans Lo Piccolo verhängte, verbuchte man auch das als Erfolg der Kampagne «Addiopizzo». In ganz Italien sollen es mehr als 160 000 Betriebe und Geschäfte sein, die von der Mafia erpresst werden. Mal ist es nur ein kleiner Schein, dann sind es ein paar Hundert Euro im Monat oder auch Tausende, je nach Betrieb. Und natürlich will auch der Händler an der Ecke, dass sein Blumenkarren nicht plötzlich eine gebrochene Achse hat. Er zahlt. Wer dies nicht tut, der riskiert, dass die Vitrinen zerbersten, sein Laden in Flammen steht oder man gar auf ihn schießt.
«Die Anti-Mafia-Bewegung zeigt Zivilcourage», lobt der Botschafter die meist jüngeren «Addiopizzo»-Mitglieder und spricht von der Vision eines Mafia-freien Sizilien. Und er sorgt dafür, dass es den Gratis- Plan jetzt nicht mehr nur auf Italienisch und Englisch gibt. Stellen die deutschsprachigen Besucher doch die wichtigste Gruppe unter den ausländischen Touristen auf der Mittelmeerinsel. Dem «Addiopizzo-Komitee» Palermos kann es nur helfen, wenn man um die Schattenseiten der Stadt einen Bogen macht - den Plan dafür bekommt man an Bahnhof und Flughafen, in Hotels und Lokalen, die bei der Aktion mitmachen, und in Touristenbüros. «Tschüs Schutzgeld» als Urlaub mit Köpfchen.
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