Belgien » ReiseberichteBrügge war einst eine reiche WeltstadtVon Horst Heinz Grimm, dpa Brügge (dpa/tmn) - Auf dem Grote Markt in Brügge drängen sich die Touristen - in der Mitte stehen die Fremdenführer mit hochragenden Regenschirmen, Fähnchen und einem knallroten Luftballon. Sie erklären, auf welch historischem Boden die Besucher stehen.
«Die Stadt war einst die reichste im gesamten nördlichen Europa», ruft die Reiseleiterin Luise ihrer süddeutschen Reisegruppe zu. «Das war vor mehr als einem halben Jahrtausend. Damals herrschten hier die burgundischen Herzöge», vertieft der Historiker Willy Debunderie die Vergangenheit. «Brügge war das wichtigste der großen Hansekontore und Umschlagplatz für in der Region produzierte Tuche, Getreide, Holz aus dem Norden und Pelze aus Russland, um nur einige Waren zu nennen.»
Ein direkter Zugang zur Nordsee, den eine Sturmflut im Jahr 1134 geschaffen hatte, machte diese Entwicklung erst möglich. Als dieser Wasserarm gegen Ende des 15. Jahrhunderts endgültig versandete, zogen die Kaufleute nach Antwerpen um. Brügge sank in die wirtschaftliche Bedeutungslosigkeit, Armut zog ein. Von dieser Epoche merkt der Besucher heute nichts mehr. Auch über einen bedeutenden Seehafen verfügt die sich bis zur Küste erstreckende Stadt wieder: Zeebrügge.
Die belgische Stadt gehört zum Weltkulturerbe und war im Jahr 2002 eine der Kulturhauptstädte Europas. Im mittelalterlichen, gut restaurierten Stadtkern liegen der Glockenturm Belfried, der Burgplatz mit dem Stadthaus, der Beginenhof und das Sint-Jans-Spital. Viele Besucher unternehmen Bootsfahrten durch die Grachten. Diese Wasserwege brachten der Stadt einst den Beinamen «Venedig des Nordens» ein.
Der Belfried war im Mittelalter ein unübersehbares Zeichen bürgerlicher Macht. Er entstand in der Mitte des 13. Jahrhunderts als Teil der Tuchhalle, dem Marktplatz für den Handel mit Stoffen. «83 Meter erhebt er sich über die Stadt und bietet von einer Plattform einen herrlichen Blick. Dazu müssen wir jetzt 366 Stufen steigen», kündigt Debunderie an. Reiseleiterin Luise gönnt inzwischen ihrer Gruppe eine Auszeit. Einige Herren stürmen die Kneipen, um eines der berühmten belgischen Biere zu probieren. Die Damen steuern auf kleine Geschäfte zu, die ein verführerisches Sortiment an feinsten Pralinen anbieten. Die Preise halten die Kauflust allerdings in Grenzen.
Zu den bedeutendsten Gebäuden zählen die Brügger ihr Stadhuis genanntes Rathaus, das Ende des 14. und Anfang des 15. Jahrhunderts errichtet wurde und als Vorbild für weitere solcher Bauten im Lande diente. Es liegt auf dem Burgplatz, wo sich im 9. Jahrhundert der erste flandrische Graf Balduin I. «Eisenarm» seine Festung hatte errichten lassen. Hier steht auch die Heiligblutkapelle. «Sie wurde für eine Reliquie errichtet, die flandrische Ritter Mitte des 12. Jahrhunderts von einem Kreuzzug aus dem Heiligen Land mitbrachten», erzählt Debunderie. «Sie wird jedes Jahr zu Christi Himmelfahrt in einer großen Prozession gezeigt» - diesmal am 21. Mai.
Auf Geschichtsträchtiges trifft der Besucher praktisch an jeder Ecke. Eine Attraktion ist der weitläufige sogenannte Beginenhof aus dem 13. Jahrhundert, der heute Benediktinerinnen als Kloster dient. Hier lebten einst ledige und verwitwete Frauen in klosterähnlicher Gemeinschaft in frommer Abgeschiedenheit und kümmerten sich um Kranke und Alte. Die UNESCO nahm die Anlage wegen ihrer Einzigartigkeit ins Welterbe auf. Sie steht Besuchern offen. «Bitte verhalten Sie sich während des Rundgangs leise», mahnt Luise ihre Gruppe.
Historiker Debunderie lenkt inzwischen seine Schritte zum Sint-Jans-Spital, das - im 12. Jahrhundert errichtet - zu den ältesten Krankenhäusern Europas zählt. Ein mittelalterlicher Krankensaal und eine Apotheke aus dem 18. Jahrhundert können besichtigt werden. «Ein kunsthistorisches Kleinod ist allerdings das dem aus Deutschland stammenden Maler Hans Memling (1430-1494) gewidmete Museum, der zum Lieblingsmaler des Bürgertums der Stadt wurde», erzählt Debunderie. «Hier sind Memlings Hauptwerke zu sehen, darunter der Reliquienschrein der Heiligen Ursula.»
Liebhaber früher niederländischer Malerei zieht es ins Groeninge Museum zu den Arbeiten von Hieronymus Bosch und Jan van Eyck. Oder sie gehen zur gotischen Liebfrauenkirche, in der Michelangelos lebensgroße «Madonna mit Kind» steht, die einzige Arbeit des Künstlers, die zu dessen Lebzeiten über die Alpen gelangte. Wenn Luise und die anderen Gästeführer schließlich ihre Gruppen zu den wartenden Bussen gebracht haben, legt sich eine romantische Stimmung über Brügge. Gemütliche Kneipen laden dann zu einem Bummel ein.
Informationen: Informationsbüro Flandern-Brüssel, Cäcilienstraße 46, 50667 Köln; Telefon: 0221/27 75 90.
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