Um 8:00 Uhr verließ ich bei strahlend blauem Himmel das Hostel und machte mich, wie alle anderen, die an diesem Sonntagmorgen auf der Straße unterwegs waren, auf den Weg zum Start. Ich musste nur einen Fußweg von zehn Minuten zurücklegen, bis angekommen war. Die Marathonläufer waren bereits um 6:30 Uhr gestartet, die anderen Starts folgten um 9:00 Uhr. Das Wetter war perfekt, es war weder zu kalt noch zu warm.
Auf der großem Wiese direkt am City Bell Tower, zwischen der Skyline von Perth und dem Swan River, war eine Bühne aufgebaut, von der aus Aufwärmübungen vorgeturnt und Interviews mit verschiedenen läuten durchgeführt wurden. Bei den LKWs konnten die Läufer ihre Taschen abgeben, die dann von diesen zum Ziel gefahren wurden, während wir dorthin joggten. Bis zum Start war ich damit beschäftigt, meinen Chip, der die gelaufene Zeit misst, am Schuh zu befestigen, meine Startnummer (1430) an meinem T-Shirt zu platzieren und die Hälfte des Powermüsliriegel zu verzehren. Die andere Hälfte steckte ich mir in meine Hosentasche, um sich irgendwann zwischen Kilometer zehn und 15 als letzte Kraftreserve zu essen. Bereits nach dem Aufstehen hatte ich warme Haferflocken mit Milch und eine Banane gegessen, weshalb ich mich Ernährungstechnisch gut vorbereitet fühlte.
Pünktlich um 9:00 Uhr starteten mit mir zusammen 2500 Halbmarathonläufer, die sich alle in einer Masse in Richtung Kings Park fortbewegten. Da es direkt zu Anfang bereits die erste Steigung zu bewältigen gab, konnte man die Menschenmassen sehen, die vor einem liefen. Es ist ein tolles Gefühl, ein Teil dieser Massenbewegung zu sein, obwohl ich normalerweise solche Massen an Menschen eigentlich eher meide. Es ist schwer zu erklären, was den besonderen Reiz eines Halb/Marathons ausmacht. Die ganze Atmosphäre ist einfach toll! Vor allem am Anfang des Laufs konnte ich gar nicht mit dem Grinsen aufhören, weil ich so happy war. Ich freute mich wie ein kleines Kind über beide Ohren, dass ich dabei sein kann!
Obwohl ich meine Armbanduhr um hatte, nahm ich mir vor, erst beim Zieleinlauf das erste Mal auf die Uhr zu sehen, um mich zwischendurch nicht unter Druck zu setzen. Ich wollte das Ganze einfach genießen und mich davon überraschen lassen, wie schnell ich am Ende gewesen sein würde. Anfangs nahm ich nicht wahr, dass die Anzahl der schon zurückgelegten Kilometer auf grünen Fahnen am Rand des Weges stehen, weshalb ich bis Kilometer zwölf nicht einmal wusste, wie viele Kilometer noch vor mir liegen. Da es mir zu diesem Zeitpunkt nach wie vor sehr gut ging, ehrlich gesagt hatte ich damit gerechnet erst bei Kilometer neun oder zehn zu sein, war ich guter Dinge für den zweiten Teil der Strecke.
Wirklich hart waren die Hügel, die in Perth eindeutig höher sind, als in Berlin. An diesen Stellen sah ich viele Leute aufgeben, in dem sie mit dem Joggen aufhörten und weiter in einem Spaziergänger Tempo liefen. Da ich mich nach jedem Hügel aber relativ schnell wieder erholte und es mir so vorkam, als wäre nichts gewesen, konnte ich bis zum Ende mein Tempo beibehalten. Zwischendurch trank ich ein bisschen Wasser von den Wasserständen, die alle zwei Kilometer aufgebaut waren. Letzten Oktober beim Müggelseehalbmarathon hatte ich aufs Trinken verzichtet, aber hier in Australien bei Sonnenschein, wollte ich was das angeht, lieber kein Risiko eingehen. Zwar war es nicht besonders heiß, aber die Sonne schien immerhin. Auch hatte ich mir für den Lauf das Käppi aufgesetzt, dass ich nach meiner letzten Fahrt im Indian Pacific Zug von Jori aus San Franzisco geschenkt bekommen hatte und mir nun einen guten Dienst leistete.
Nach 21 Kilometern kam ich am Town Beach von Perth an, wo wir Läufer von jubelnden Menschen in Empfang genommen wurde. Hier stieg die eigentliche Party. Obwohl ich niemanden kannte und von daher auch keiner für mich persönlich jubelte, war es einfach so schön, nach der Anstrengung ins Ziel einzulaufen, wo all die Menschen auf einen warteten, dass ich wieder nicht aufhören konnte zu grinsen. Dieses Grinsen wurde noch größer, als ich meine gelaufene Zeit sah – 01:52:28. Ich konnte es kaum glauben. Im vergangenen Oktober war meine Zeit 02:03:00, was ich damals schon wie sehr schnell hielt. Dass ich diese Zeit nun noch einmal um elf Minuten verbessern konnte, machte mein Glück perfekt!
Nach dem Zieleinlauf wurde ich mit den Menschenmassen den einzig möglichen Weg entlang geschoben. Zuerst wurde mir meine Medaille umgehangen, dann wurde ich aufgefordert, den Chip, der die Zeit gemessen hatte, in einen großen, extra dafür vorgesehenen, Container zu schmeißen und als das erledigt war, ging es direkt weiter zu dem Getränkestand von Powerade, wo ich so viele Flaschen von der blauen und roten Flüssigkeit bekommen konnte, wie ich haben wollte. Ich war in der Tat sehr durstig, weshalb ich direkt einen halben Liter von dem roten Zeug weg trank. Als ich die blaue Flasche öffnete, war ich wohl nicht mehr durstig genug, um auch noch dieses Schlumpfwasser schmackhaft zu finden, weshalb ich mich schnell wieder von der Flasche trennte.
Nach dem Getränkestand verlief sich die Menschenmasse langsam. Einige liefen zu den vielen Zelten, die auf einer Kreisrunden, riesigen Rasenfläche aufgebaut waren, um sich massieren zu lassen, eine Bratwurst zu essen oder sich mit anderen darüber auszutauschen, wie der Lauf war. Ich kümmerte mich als nächstes um mein gratis T-Shirt, was jeder Läufer bekam. Danach suchte ich die LKWs auf, um meine Tasche zu bekommen. Ich setzte mich auf einen Bordstein, um mich einen Moment auszuruhen und um meine Starnummer wieder von meinem Shirt zu lösen. Als ich einige Minuten später wieder aufstehen wollte, wurde mir bewusst, dass die Idee mit dem Hinsetzen, nicht gut war. Ich hatte Schwierigkeiten, wieder auf die Beine zu kommen. Ich fühlte mich wie eine 90 jährige Frau. Als ich erst einmal wieder stand und wieder in Bewegung war, ließen die Schmerzen schnell nach und alles war wieder in Ordnung. Naja, aber das gehört wohl irgendwie dazu. Was tut man nicht alles für das beste Souvenir, das man sich selber machen kann, in Form einer australischen Halbmarathonmedaille.
Um all die Menschen wieder in die Innenstadt zurück zu bringen, hatte der Veranstalter von den öffentlichen Verkehrsbetriebe Busse angemietet, die zwischen dem Citybeach und dem Busbahnhof hin und her pendelten. Ich stieg also in einen dieser Busse ein und ließ mich zurück in die Stadt fahren. Wie es der Zufall wollte, hielt der Bus direkt gegenüber von meinem Hostel, was sehr praktisch war. Nun duschte ich erst einmal, aß etwas, verstaute meine Medaille und das T-Shirt in meinem Rucksack und irgendwann zum Nachmittag machte ich mich dann auf in die Bibliothek, wo ich den Rest dieses glücklichen Tages verbrachte.