Monti: Das Dorf gleich neben dem KolosseumVon Hanns-Jochen Kaffsack, dpa Rom (dpa/tmn) - Wenn die Füße nicht mehr tragen wollen, Petersdom und Trevi-Brunnen abgehakt sind, dann sucht der Reisende eine Insel der Ruhe. So mancher strandet nach einem Tag im quirligen Rom mit müden Gliedern und einem Kopf voller Eindrücke auf der Piazza della Madonna dei Monti.
Ist der Cappuccino oder der trockene Frascati bestellt, fällt der Blick auf eine fast ländliche Idylle: Römerinnen haben ihre Einkaufstüten für einen Plausch auf das Pflaster gestellt, Jungs dreschen den Ball gegen die Kirchenwand, ältere Männer füllen sich am Brunnen Wasser in Plastikflaschen ab - Dorfszenen mitten in der Metropole. Dieses Dorf heißt Monti.
Im Schatten des Kolosseums gelegen, gleich hinter dem Forum Romanum, liegt eines der ältesten Stadtviertel Roms verborgen. Vor Jahrtausenden war es als «Suburra» berüchtigt, als der Ort, in dem die Bordelle lagen und sich Gesindel herumtrieb. Auch am Anfang des 21. Jahrhunderts ist Monti noch ein Hort der Krämer und kleinen Händler, der in rumpeligen Werkstätten mit Glas, Metall oder Holz hantierenden Handwerker - und weiterhin Revier einiger Damen vom ältesten Gewerbe.
Und doch fällt beim Bummel über das Basalt-Pflaster der engen Straßen sofort auf, welcher Wind nun durch Monti weht: Hier schon wieder eine neue Modeboutique, direkt an der Piazza ein Sushi-Schnellverkauf, einige Schritte weiter ein durchgestyltes Bio-Lokal. In heißen Sommernächten machen junge Leute scharenweise und so laut lärmend Monti zu ihrem Quartier, dass Carabinieri einschreiten. «Nicht Trastevere oder der Campo de' Fiori gibt den Ton an, sondern Monti mit seinen exklusiven Shopping-Gelegenheiten, den Bio-Läden, alternativen Restaurants und edlen Enotheken», schwärmt die römische Zeitung «Il Messaggero».
Aber hier, wo noch ein eigener römischer Dialekt gesprochen wird, gefällt es beileibe nicht allen, jetzt als Trendschmiede der Ewigen Stadt auserkoren zu sein. Da ist beispielsweise Mario Monicelli, ein bekannter Regisseur und Vater der italienischen Filmkomödie. Seit mehr als einem Vierteljahrhundert lebt der bärtige Monicelli, 94 Jahre alt, in der Via dei Serpenti. Mit dem Kurzfilm «Vicino al colosseo c'è Monti» («Gleich neben dem Kolosseum liegt Monti») hat er seinem Viertel ein Denkmal gesetzt und gleichzeitig festgehalten, was zu verschwinden droht: Etwa wie das Bild der verehrten «Madonna dei Monti» von einer Menschenmenge durch die Straßen getragen wird.
Eingezwängt zwischen den Hügeln Quirinale, Esquilino, Viminale und Celio, lebt diese einstige Arme-Leute-Gegend weiterhin ihr Leben im eigenen Takt. Seit dem 19. Jahrhundert ist es durch eine gewaltige Bausünde, die breite Via Cavour, auf einen Fleck konzentriert: die Piazza mit dem Brunnen, den Kirchen und dem Zeitungskiosk. Hier wird schon früh morgens anschaulich das Vorurteil widerlegt, nur Frauen träfen sich zum Schwatz.
Monti wird längst nicht so von den Touristenmassen heimgesucht wie das berühmtere Trastevere auf dem anderen Tiber-Ufer. Doch auch hier haben Architekten, Ärzte und Rechtsanwälte längst die Terrassenwohnungen in den obersten Stockwerken besetzt. Was die Mietpreise im Dorf mächtig in die Höhe schießen lässt.
«Das erste Stadtviertel von Rom ist Monti», so beginnt der römische Historiker Alberto Manodori seine Stadtgeschichte «I rioni e i quartiere di Roma». Jene umliegenden Hügel, die einst dazugehörten, haben dem Viertel seinen etwas großspurigen Namen gegeben («Berge»), auf den die «Monticiani» stolz sind. Ihr Monti, seit jeher Rivale von Trastevere, hat heute seine unrühmliche Spelunken-Vergangenheit abgelegt. Der gefürchtete römische Kaiser Nero soll hier nachts unerkannt durch die dunklen Gassen hinter dem Trajans-Forum gezogen sein, weil er hören wollte, was das gemeine Volk über ihn redete.
Umgeben von einem heillosen Durcheinander bietet heute ein Tischler seine aufgemöbelten Antiquitäten an, deren Preis sich womöglich die jetzt auf Monti aufmerksam gewordene Schickeria leisten kann. Der Krämerladen nebenan hat geschlossen, im Schaufenster preisen vergilbte Zeitungsartikel die typisch römische Ware und die Tradition des Ladens.
«Das ist ein Stadtviertel, das oft nach gerösteten Peperoncini duftet oder nach Abbacchi al forno (Lamm aus dem Ofen), in dem die mit Basalt gepflasterten Straßen und Gassen keine Bürgersteige kennen und den Passanten als einzigen Schutz vor den Autos Prellsteine anbieten»: Wenn es um Monti geht, wird selbst der Historiker Manodori poetisch. Als charakteristisch sieht er den Kern Montis an, mit den Gassen Panisperna und Boschetto oder auch der Zigeuner-Straße, der Via degli Zingari. Dort ist immer etwas los - was natürlich all jene nicht so gut mitbekommen, die sich die Terrassenwohnungen hoch oben leisten, um den Sommer zu genießen: Mit einem Glas Prosecco und dem Blick auf die Dächer und Kirchenkuppeln Roms, hinter denen sich in der Ferne bei guter Sicht die Albaner Berge abzeichnen.
Infos Rom Anreise und Formalitäten: Lufthansa, Alitalia, Air Berlin, EasyJet, Tuifly und Germanwings fliegen von mehreren deutschen Flughäfen aus täglich Rom an. Züge aus Mitteleuropa treffen am Hauptbahnhof Termini ein, in dessen Nähe das Stadtviertel Monti liegt. Mit dem Auto geht es über den Brenner und dann über Modena und Florenz auf der Autobahn A1 nach Rom. In der Stadt selbst sollten Touristen aber besser nicht Auto fahren. Klima und Reisezeit: Im Winter regnet es häufig, es bleibt aber in der Regel recht warm. Im Sommer ist es sehr heiß. Der Römer fährt dann lieber ans Meer oder aufs Land. Die besten Reisezeiten sind Frühling und Herbst. Unterkunft: Das Angebot reicht von der Jugendherberge bis hin zum Fünf-Sterne-Hotel. Viele günstige Hotels gibt es in Termini-Nähe. Das Frühstück ist meist inbegriffen, fällt aber auch sehr einfach aus. Weitere Auskünfte: Italienische Zentrale für Tourismus ENIT, Barckhausstraße 10, 60325 Frankfurt, Telefon: 069/23 74 34, E-Mail: frankfurt@enit.it
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