Juruena-Nationalpark: Umkämpftes Juwel im Dschungel Bei Sonnenuntergang sorgt der Urwald im südlichen Amazonien für romantische Momente. (Bild: Petry/dpa/tmn) Von Arnd Petry, dpa Apiacás (dpa/tmn) - Der Juruena-Nationalpark ist ein Naturparadies - und gefährdet: Denn in Brasilien zerstören die Menschen den Regenwald, um das Land für ihre Zwecke zu nutzen. Der Tourismus könnte Alternativen aufzeichnen. Exotische Erfahrungen locken.
Das muss der Traum jedes Naturschützers sein: «Herzlichen Glückwunsch», sagt der Herr von der Lottogesellschaft, «Sie haben einen Nationalpark gewonnen. Nun machen Sie was draus!» Ähnlich wie in diesem Traum ergeht es der Naturschutzorganisation WWF, die mit ihren brasilianischen Partnern derzeit einen Park zum Leben erwecken muss, der nur auf dem Papier existiert: Der im Juni 2006 gegründete Juruena-Nationalpark ist mit 1,9 Millionen Hektar fast unberührtem Regenwald halb so groß wie die Schweiz. Er liegt abseits aller Straßen in Mato Grosso, dem Wilden Westen Brasiliens, wo Urwaldbäume schneller sterben als die Moskitos, die vor dem Einschlafen ins Zimmer gekommen sind. Ökotourismus soll den Naturschützern dabei helfen voranzukommen.
Die Nacht ist gleich vorbei, am Waldrand kündigen Vögel mit hellen Tönen die Dämmerung an. Nun schnell los, denn hier in Äquatornähe steigt die Sonne gen Himmel wie ein Drachen im Wind: Anziehen, rein in die Stiefel und über die Lichtung in den Wald. Etwa 20 Minuten später endet die Wanderung vor einem Metallturm. Die obere Plattform ist nicht zu sehen: Sie liegt jenseits des Blätterdachs. 228 Stufen höher scheint der Boden - das Schattenreich der Spinnen, Königsboas und Jaguare - dann weit entfernt. Hier sind Tukane und Papageien zu Hause, hier sind der Wind und das Licht. Um kurz vor 6. 00 Uhr geht dann die Sonne auf. In der Ferne hängen Nebelschwaden wie Watte in den Wipfeln, in den Bäumen hangeln sich Spinnenaffen von Ast zu Ast.
 Ein Naturschauspiel abseits aller Straßen: Die Augusto-Wasserfälle liegen im Gebiet des Juruena-Nationalparks. (Petry/dpa/tmn) Der Turm ist nur eine der Attraktionen, mit denen die «Cristalino Jungle Lodge» in der Nähe von Alta Floresta Naturliebhaber verwöhnen soll. Auch Wanderungen durch das private Schutzgebiet, Klettertouren und Paddelausflüge auf dem Rio Cristalino werden angeboten. Sogar das Baden im Fluss ist möglich - mittags, wenn die Kaimane ruhen, die aber sowieso nur eineinhalb Meter lang werden und nur Fische fressen, wie die Angestellten behaupten. «Die 'Cristalino Jungle Lodge' zeigt, wie vorbildlicher Naturtourismus im brasilianischen Regenwald aussehen kann», sagt Michael Evers, Waldexperte des WWF Deutschland.
Mit dem Juruena-Nationalpark haben die Naturschützer ein wichtiges Zwischenziel erreicht: Mit ihm wurde im Norden von Mato Grosso eine Verteidigungslinie aus Schutzgebieten vervollständigt, die das Vorrücken der Entwaldungsfront aufhalten soll. Diese militärischen Bezeichnungen deuten es an: Hier ist Kriegsgebiet. Der «Bogen der Entwaldung» treibt den Urwald mit Bulldozern, Kettensägen und Feuer in die Enge. Auch Landstreitigkeiten werden mit Gewalt entschieden.
Tourismus ist ein Teil des Plans, die Menschen in der Region von den Vorzügen nachhaltigen Wirtschaftens zu überzeugen. Schonende Forstwirtschaft, ökologisch angepasste Rinderzucht und Landwirtschaft sind die anderen Teile. Auf Gegenliebe stoßen die Ideen bisher meist nicht, wie in Apiacás zu erleben ist - der Ort, die nun das Tor zum Nationalpark werden soll. Im Jahr 2007 feierte Apiacás sein 19-jähriges Bestehen. Hauptredner war der Gouverneur von Mato Grosso, Blairo Maggi. Während seiner Regentschaft belegte der Bundesstaat regelmäßig Platz eins in den nationalen Entwaldungsstatistiken. Viele Menschen wundert das nicht, denn Maggi ist ein großer Sojaproduzent.
 In den Wäldern Brasiliens gibt es viele bunt gefiederte Vögel wie diesen Krauskopfarassari. (Bild: Cristalino Jungle Lodge/Carter/dpa/tmn) Von Apiacás aus ist der Juruena-Nationalpark nur per Boot oder Kleinflugzeug zu erreichen. Von den Sägewerken, Weiden und Straßen um die Stadt ist gut zwei Stunden nach dem Start nichts mehr zu sehen. Das letzte Stück folgt der Pilot dem Fluss. Wie ein in Falten geworfener Schlauch schlingert der Juruena durch eine nun endlos und intakt erscheinende Waldlandschaft. Dann setzt das Flugzeug auf einer rotbraunen Buckelpiste auf. Nach 30 Minuten Fahrt ist die einzige touristentaugliche Unterkunft in diesem Teil des Parks erreicht: eine vornehmlich von Anglern besuchte Lodge mit Jugendherbergscharme.
Paulo Traven begrüßt seine Gäste mit Zurückhaltung. Es ist seine erste Begegnung mit Vertretern des WWF Brasilien und der staatlichen Umweltbehörde Ibama. Der Enddreißiger kaufte das Land an den Augusto-Wasserfällen vor Jahren zum - wie er sagt - «Schnäppchenpreis». Ob er es behalten kann, ist aber fraglich. Den Plänen zufolge sollen alle privaten Grundbesitzer innerhalb der Parkgrenzen entschädigt werden.
Am folgenden Morgen lässt es sich Paulo Traven aber nicht nehmen, die Schönheiten seines Grundbesitzes vorzuführen. Einer Fototapete würdig, erheben sich auf breiter Front die Augusto-Wasserfälle. Im harten Licht der Sonne strahlend weiße Vorhänge zerfließen über den Felsen. Dahinter sind sattgrüne Wipfel und ein leuchtend blauer Himmel zu sehen. Am Ufer im Vordergrund balgen sich weiße, grüne, gelbe und orange Schmetterlinge um getrocknete Mineralsalze.
 Die «Cristalino Jungle Lodge» liegt an einer Biegung des Flusses, von dem die Unterkunft ihren Namen hat. (Bild: Cristalino Jungle Lodge/Endrigo/dpa/tmn) Freiwillig verkaufen will Paulo nicht - und wenn er muss, dann will er einen Preis, der dem wahren Wert des Landes entspricht. Lange Gerichtsverfahren drohen. «Sie haben einen Nationalpark gewonnen. Nun machen Sie was draus!» - für den WWF hat die Arbeit erst begonnen.
Informationen: Brasilianisches Fremdenverkehrsamt, Platz der Einheit 1, 60327 Frankfurt; Telefon: 069/97 50 32 51; WWF Deutschland, Rebstöcker Straße 55, 60326 Frankfurt, Telefon: 069/79 14 40.
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