Im Kajak zum Kulturerbe: Streifzug durch SüdböhmenVon Detlef Berg, dpa Cesky Krumlov (dpa/tmn) - Größter See Tschechiens? Die Antwort auf diese Kreuzworträtselfrage lautet Lipno-Stausee. Das Gewässer liegt an der Grenze zu Österreich, eingebettet in die sanfte Berglandschaft des südlichen Böhmerwaldes.
Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs hat es sich bei Anglern und Wassersportlern auch aus dem Ausland zu einem beliebten Ziel entwickelt. Auch wer andere Streifzüge durch Südböhmen unternimmt, bezieht hier gerne für einige Tage sein Quartier.
Aus dem See wurde schon ein 25 Kilogramm schwerer Zander an Land gezogen. Mit etwas Glück beißen auch Karpfen, Hecht, Barsch oder Wels. Segler sind ebenso begeistert: Der See ist 42 Kilometer lang und bis zu 8 Kilometer breit - genug für internationale Wettbewerbe. Viele Urlauber kommen aber auch einfach nur, um sich an den Stränden in die Sonne zu legen. Wer sich für eine See-Umrundung per Fahrrad entscheidet, muss einige anstrengende Steigungen am Südufer meistern, wird aber mit schönen Aussichten belohnt. Das Südufer bietet zudem unberührte Natur und ist mit Oberösterreichs Radwegenetz verbunden.
Touristisches Zentrum der Region ist Lipno. Das einstige Holzfällerdorf wurde mit dem Bau und der Flutung des Stausees in den Jahren 1952 bis 1960 zerstört und an einer erhöhten Stelle wieder aufgebaut. Die Staumauer in der Nähe bildet die obere Staustufe in einem System von drei Dämmen, das die Moldau bis Prag regulieren soll. Wie wenig die Naturgewalten berechenbar sind, zeigte zuletzt das Hochwasser im August 2002 mit schweren Überschwemmungen in Prag.
Einer alten Legende zufolge hat sich an der Moldau schon der Teufel verrechnet. Ihm passte der Bau des etwas weiter flussabwärts gelegenen Klosters Vyssi Brod nicht. Daher versuchte er einen Damm zu errichten, um mit dem Moldau-Wasser das Gotteshaus zu überschwemmen. Allerdings konnte er sein Werk nicht bis zum dritten Hahnenschrei vollenden - zu früh läuteten die Glocken der Kirche, und der letzte Granitblock fiel dem Teufel auf die Krallen. Tatsächlich ist die Teufelswand ein Steinmeer aus der Eiszeit. Bis zum Staudammbau strömte die Moldau durch das Tal und bildete die «Teufelsströme», die Friedrich Smetana zu seiner Moldau-Sinfonie inspiriert haben sollen.
Heute ist Vyssi Brod wegen des Zisterzienserklosters mit dem gotischen Dom Mariä Himmelfahrt bekannt. Es wurde zwar 1950 von der sozialistischen Regierung geschlossen, doch seit 1990 ist wieder Leben in das Kloster eingekehrt. Die Bibliothek umfasst rund 70 000 Bände und 205 wertvolle Pergamenthandschriften. Das Kloster ist Ausgangspunkt für Kajaktouren auf dem Moldau-Oberlauf. «Geübte und gut trainierte Kanuten schaffen es an einem Tag bis nach Cesky Krumlov. Sie sind sieben bis neun Stunden unterwegs, immerhin ist die Strecke gut 35 Kilometer lang», erzählt der Campingplatzbesitzer Jiri Mühlbauer. Wer unerfahren ist, sollte sich mit Teilstrecken begnügen.
Wären da nicht die bunten, auf den Moldau-Stromschnellen tanzenden Kanuten, würden sich die Besucher auch dann in frühere Jahrhunderte zurück versetzt fühlen, wenn sie Cesky Krumlov (Krumau) erreichen. Es gehört zum Weltkulturerbe, beeindruckt mit seiner Altstadt und wird von einem Schloss überragt, die dem Prager Hradschin an Größe kaum nachsteht. «Krumau ist die Perle Böhmens, und dass dieses Gesamtkunstwerk erhalten geblieben ist, verdanken wir den notorisch leeren Prager Staatskassen», erzählt Stadtführer Stanislav Jungwirth. «Kaputtsanieren war damals einfach nicht drin.» Gerade noch rechtzeitig sei vor 20 Jahren die Wende gekommen, um die während der Zeit des Sozialismus verfallene Bausubstanz retten zu können.
Heute erstrahlen die meisten der rund 400 historischen Häuser wieder in alter Schönheit. Der Rundgang führt durch ein Labyrinth enger, mit Kopfsteinen gepflasterter Gassen. Im Fischerviertel am Ufer der Moldau laden Kneipen zur Einkehr ein - mit etwas Glück können Besucher einen der Terrassenplätze ergattern. Große Linden spenden Schatten, dazu gibt es das Rauschen des Wassers und einen Blick auf die am anderen Ufer liegende Burg. Besonders stimmungsvoll ist es am Abend, wenn sie durch Scheinwerfer angestrahlt wird.
«Auf dem etwa sieben Hektar großen Areal stehen gut 40 Bauwerke sowie fünf Schlosshöfe mit den dazugehörigen Gärten - Sie brauchen also eine gute Kondition», sagt Jungwirth am Morgen darauf zu Beginn seiner nächsten Führung. Insgesamt 365 Räume soll das Schloss haben - als «Muss» gilt die Besichtigung des Maskensaals im Westflügel.
Kulturelles Erbe ist auch in Südböhmens größter Stadt Ceske Budejovice (Budweis) erhalten geblieben. Hier lohnt vor allem eine Besichtigung des Marktplatzes mit seinen Arkaden, dem Rathaus und dem Samson-Brunnen. Berühmt gemacht hat die Stadt aber das Bier. In einem Besucherzentrum wird die Geschichte des Bierbrauens in Budweis dargestellt, die bis in das 13. Jahrhundert zurückreicht - jede Besichtigung endet mit Verkostung.
Infos Südböhmen Anreise und Formalitäten: Mit dem Auto geht es aus Richtung Westen zunächst nach Nürnberg und dann auf der A6 über Amberg nach Plzen (Pilsen). Von dort aus weiter bis Cesje Budejovice (Budweis). Aus Norden ist Prag die Zwischenstation auf dem Weg nach Südböhmen, aus Richtung Südwesten geht es über Grafenau im Bayerischen Wald in die Region. Die Straßen sind in Südböhmen gut ausgebaut, zum Teil gibt es Mautgebühren. Der Personalausweis sollte mitgenommen werden, auch wenn an der Grenze zu Tschechien nicht mehr kontrolliert wird. Klima und Reisezeit: Das Klima unterscheidet sich kaum von dem in Süddeutschland. Die schönste Reisezeit ist von Mai bis Oktober. Unterkünfte: Vom Campingplatz über Ferienwohnungen bis zum Vier-Sterne-Hotel gibt es zahlreiche Übernachtungsmöglichkeiten. Sprache: Tschechisch. Die Verständigung ist in der Regel kein Problem, denn zumeist wird Deutsch verstanden und gesprochen. Währung: Ein Euro sind etwa 26,10 Kronen (06/09). Es gibt viele Geldautomaten, oft wird der Euro als Zahlungsmittel akzeptiert. Auskünfte: Tschechische Zentrale für Tourismus, Friedrichstraße 206, 10969 Berlin; Telefon: 030/204 47 70.
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